Leseproben II

... Während dieser Schulzeit im Gymnasium lebte ich mit meiner Mutter wieder im Wohnzimmer zusammen. Nach meiner Kinderkommunion hatte sie es natürlich wieder geschafft, die Küche komplett mit Müll zu füllen. Ich weiß noch genau, wie ich einmal im Sommer nach Hause kam und einen riesigen Durst hatte. Schon seit Tagen gab es nichts mehr zu trinken bei uns, weil sie einfach mal wieder kein Geld hatte. Als ich ins Wohnzimmer kam, stand neben dem Bett, auf dem meine Mutter saß und Fernsehen guckte, eine angebrochene Flasche Cola. Ich sagte nur noch: Endlich wieder Cola! und setzte die Flasche an. Ich trank mindestens die Hälfte aus, während meine Mutter seelenruhig zuschaute. Als ich die Flasche absetzte, sagte sie lauthals lachend, das sei eine alte Flasche gewesen und da hätte doch schon der Schimmel drauf geschwommen. Und dann mit hämischem Ton: Das ist, wenn man so gierig ist und den Hals nicht voll kriegt - da bist du selbst schuld! Ich schaute auf die Flasche, in der von Schimmel nichts mehr zu sehen war, und unbeschreiblicher Ekel stieg in mir hoch...

... In meiner Not rief ich Tante Hilde an und bat sie, zu mir zu kommen und mir zu helfen.

Meine Tante machte sich sofort auf den Weg - bewaffnet mit einem Leder, einem Staubtuch und Gummihandschuhen. Während sie unterwegs war, überlegte ich zwar noch, ob es richtig war, daß ich sie angerufen hatte, aber mir war bewußt, daß ich nur auf diesem Weg wieder ein eigenes, sauberes Zimmer bekommen würde. Als sie dann bei mir war, versuchte ich, sie auf das, was sie erwarten würde, vorzubereiten, aber auf so etwas kann man niemanden vorbereiten, dafür war es zu unglaublich. Das erste, was Tante Hilde entgegenschlug, war der schreckliche Geruch, und sie versuchte sich davor zu schützen, indem sie ihre Hand vor den Mund hielt. Als sie dann mein Zimmer sah, war sie dermaßen geschockt, daß sie immer wieder fragte, ob ich wirklich in diesem Müll gelebt hätte, und daß sie von all dem keine Ahnung gehabt habe. In ihren schlimmsten Träumen habe sie sich so etwas nicht ausmalen können. Sie zeigte mir ihr Staubtuch und die anderen Sachen und meinte immer wieder, sie habe geglaubt, etwas Staub zu wischen oder die Fenster zu putzen, aber mit so etwas habe sie niemals gerechnet....